Da capo

Aus dem Alltag

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Schon wieder zu Hause hocken, in der Quarantäne. Nicht wissen, wie einem geschieht, warum grad wieder wir, man trifft ja ohnehin kaum Leute. Sehen, wie sie einen aus großen Augen anschaut, die Kollegin, der man den frühen Dienstschluss verdankt. Also dass sie, nie hätte sie gedacht, wer hätte das denn ahnen können?
Der Mundschutz baumelt lose unterm Kinn.

Also wieder die Tür von innen zusperren und das Draußen draußen lassen. Die 1450 wählen und erstaunt feststellen, dass man keine fünf Minuten warten muss. Die Frage hören: Sie wollen einen Test? Tief durchatmen und ‚ja‘ sagen.

Noch einmal staunen, als der Mann vom Samariterbund um vier Uhr dreißig läutet, und sich den Schlaf aus den Augen reiben. Gurgeln, spucken, die Probe in einen Plastiksack werfen, kontaktlos ist das Zauberwort. Einen zwölfstelligen PIN fotografieren und hören: eine SMS wird kommen. Mit ihr ein TAN, der wird der Schlüssel sein zum Testergebnis.
Warten.

Ein Tag vergeht und ein zweiter. Das Wochenende. Der Montag kommt aus der Mittagspause, eine SMS bringt er nicht. Den PIN eingeben, wo ein TAN verlangt wird und im Voraus erkennen: das bringt nichts. Beim Bezirksgesundheitsamt anrufen und gar nicht mehr wissen: wie oft jetzt schon? Hoffen, dass man diesmal mehr zu hören bekommt als bloß das Freizeichen. Nach zehn Minuten oder vierzig nicht wieder aus der Leitung fliegt. Endlich eine Stimme hören, einen leibhaftigen Menschen. Merken, wie die Frau überlastet ist, weil man entschieden hat: die paar, die schaffen das. Alles unter Kontrolle. Dankbar sein, weil sie helfen will. Der Test? Er läge vor.
Ergebnis negativ.

Aufatmen und fragen, ob noch ein Bescheid komme, der Arbeitgeber wolle das. Quarantäne, das sei ja eine ernste Sache, da reiche ein Telefonat wohl nicht. Das Bedauern hören und die Auskunft: ein anderes Amt. Das der Kontaktperson. Ob man wisse, wo die Kollegin wohne?
Sich die Haare raufen und fragen, ob das sinnvoll ist: wissen müssen, wo die Kollegen wohnen, die einen womöglich angesteckt haben oder auch nicht.
Die Telefonnummer notieren und guter Dinge bleiben.

Tagelang versuchen, das Bezirksgesundheitsamt zu erreichen. Das nächste. Das, das am anderen Ende der Stadt liegt, an dem man nie ist. Ein Mail schreiben und ein zweites. Täglich zwei Stunden dasselbe Tonband hören, dieselbe Musik, die man bald nicht mehr leiden kann. Dann aus der Leitung geworfen werden und sich denken: ich habe einen negativen Befund. Ich bleibe zehn Tage zu Hause. Was wollen sie von mir?

Wieder die 1450 wählen und abermals feststellen, dass sofort jemand abhebt. Sagen, dass man seit einer Woche in Quarantäne ist und sich jetzt fragt: wo bekommt man ihn her, den Bescheid, auf dass man nicht ewig hier im Zimmer hocke. Der Stimme zuhören, die meint: Bescheid? Wozu? Es war der Test doch negativ. Aber gut, wenn’s nötig wäre: Bezirksgesundheitsamt.
Das eigene.

Lachen und mit den Menschen mitfühlen, die auch nur ihre Arbeit tun. Überzeugt sein, dass Kafka Regie führt in diesem absurden Stück. Sich fragen: wie wird das weitergehen, wo der Herbst noch nicht in voller Blüte steht und der Winter erst ein ferner Schatten ist.
Wissen, dass es vorübergehen wird. Dass der Tag kommt, an dem wir die Masken vergessen haben.

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