Der Rosenkrieg

Aus dem Alltag

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‚Sie klauen meine Bilder‘, brüllt sie mir ins Ohr, das hab ich gar nicht gern. Ich stehe im Wohnzimmer, wo ich der Sonne beim Sinken zusehen kann, derweil mein Blutdruck kraftvoll steigt. Das Mobiltelefon in der rechten Hand, den Mund vor Staunen offen, kann ich kaum fassen, was ich höre. Sie nennt mich einen Dieb. ‚Ich sitze in der Schweiz‘, sagt sie, bevor sie das Gespräch abrupt beendet. ‚Na dann stehen S‘ halt auf, wenn Ihnen das Sitzen gar so schlecht bekommt‘, denk‘ ich mir noch.
Aber da ist die Leitung bereits tot.

Am Anfang war das Wort. Und eine Rose.

Beim zweiten Schluck Tee beendet das Telefon sein monotones Schweigen. Herrschaftszeiten, jetzt hab ich mich grad hingesetzt. Ich stelle die Tasse ab, lege das Buch beiseite. Zehn Zeilen, immerhin. Dann greife ich zum Handy, doch bleibt mir unklar, wer da spricht. ‚Sie haben ein Bild von mir auf Ihrer Homepage‘ ist eine eigenwillige Begrüßung. Ich lache auf, ganz unwillkürlich. ‚Gnädige Frau, das kann ich mir kaum vorstellen, wir haben ja nicht einmal Fotos von uns selbst auf unserer Seite‘, meine ich leicht amüsiert. Noch glaube ich, sie redet von Gesichtern.
Aber das tut sie nicht.

‚Sie haben ein Bild von mir auf Ihrer Homepage‘, wiederholt sie. Recht humorlos, wie mir scheint. ‚Um welches Bild geht’s denn überhaupt?‘, will ich wissen, ein wenig neugierig bin ich jetzt schon. Und staunend nehme ich zur Kenntnis: es handelt sich um eine Rose. Eine orange Rose, wie sie meint. Sie irrt auch bei der Farbe.

Zugegeben: im Abendlicht mag sie orange erscheinen, doch ihre Blätter waren rosa. ‚Es freut uns ja sehr, dass Sie unsere Seite besucht haben. Aber, sind S‘ mir nicht bös, die Fotos sind von meiner Frau‘, sag ich. Na, mehr hab ich nicht gebraucht, da hätt‘ ich gleich einem Pavian in die Nase zwicken können. ‚Sie klauen meine Bilder‘, brüllt sie mir wütend ins Ohr, das kann jetzt gar nicht gut fürs Karma sein. Ich frage mich, ob dies bereits üble Nachrede ist oder bloß eine satte Beleidigung und sehe einer Amsel zu, wie sie ihre Kloake auf unserem Terrassenboden entleert. ‚Wenn Sie nicht innerhalb einer Stunde das Bild entfernen, verklage ich Sie.‘ Ihre Stimme überschlägt sich mittlerweile, und ich verzichte darauf, sie auf den inkorrekten Gebrauch des Präsens anstelle des Futurums hinzuweisen, das würd‘ jetzt sicher nicht gut kommen. Sie wird des Drohens nicht müde. ‚Ich sitze in der Schweiz‘, sagt sie noch. Warum, bleibt unklar. Dann legt sie auf.

Ich gehe zu Doris, die sitzt nicht in der Schweiz, sondern im Nebenzimmer. ‚Da war jetzt ein Mensch mit ganz schlechter Impulskontrolle dran‘, sag ich. ‚Schauen wir doch mal in unsere Mailbox rein.‘ Und siehe da, sie hat geschrieben. Wir mögen bitte die Urheberrechte des Bildes ‚orange Rose‘ offenlegen. Und weil die Zeit verstrichen ist – es war ganz sicher eine Viertelstunde – und wir nichts von uns hören ließen, hat sie halt angerufen. Da war sie schon recht ungehalten, man darf das schon so sagen. ‚Sag, kann man dich nicht einmal alleine telefonieren lassen, ohne gleich vorm Kadi zu landen?‘, meint die Doris. Ein wenig vorwurfsvoll klingt das schon. Ich zucke mit den Schultern und murmle etwas von schreiender Ungerechtigkeit, düsteren Mächten und dass der Irrtum ja an jeder Ecke dieses Universums lauert. Es bringt uns nicht weiter. Doris holt tief Luft, ich betrachte ganz interessiert einen kleinen Riss an der Wand. Dann wendet sie sich wieder dem Computer zu.

Wir zeigen guten Willen. Tauschen das Foto aus gegen ein anderes aus dieser Serie, womöglich konveniert das eher. Schreiben, zu welchem Zeitpunkt die Bilder entstanden sind. Verweisen auf die Speicherkarte, da sind die Originale drauf. Rechnen mit einer Entschuldigung, ein wenig Demut steht ja keinem schlecht.

Ihre Antwort kommt nach sechs Minuten. Sie werde die Angelegenheit ihrem Anwalt übergeben. Soviel Starrsinn überwältigt.
Stumm blicken wir auf die Zeilen in der Mailbox. Im Nachbarhaus klettert eine Katze aus einer halb geöffneten Dachluke und spaziert entlang der Regenrinne. Im Innenhof wird sanft gegackert. Es sind die Hühner des Nachbarn mit dem Eigengarten.

P.S.: Die Hasen auf dem Beitragsbild, die sind tatsächlich aus der Schweiz. Aber dieses Beweismaterial, das haben wir bereits vernichtet. Es ist ja nicht so, dass jeder Schweizer ungenießbar wäre.

Und weil man negative Erfahrungen bekanntlich durch gleich mehrere positive wettmachen soll, will ich Euch jetzt einen Blog ans Herz legen, der auch aus unserem schönen Nachbarland kommt:
www.querdurchdenalltag.com

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