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Aus dem Alltag

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Ob wir sie übertrieben fanden, die Weisung unseres Arbeitgebers? Uns auf mehrere Standorte aufzuteilen, keinen physischen Kontakt mehr zu haben zwischen den einzelnen Teams. Ich weiß es nicht mehr.
Es scheint so lange her zu sein.

Denke ich an diesen Tag zurück, sehe ich, wie ich am Fenster stand. Hinaussah auf die vielen Menschen, die sich am Trottoir bewegten, manch einer forsch, die meisten scheinbar ohne Eile. Ein Bus bog um die Ecke und entlud eine fröhliche Schar Touristen in die Straßen der Leopoldstadt. Ein Bote bestieg sein Rad und verschwand rasch außer Sicht. Vor einem nahen Café trafen sich zwei alte Männer und umarmten einander. Alles wirkte wie immer, doch der Schein, er trog bereits.
Corona war nicht aufzuhalten.

Ein paar Tage später trug ich einen Laptop nach Hause. Samt Tasche, Maus und Headset und Kabeln jeder Art und Länge. Lernte, was ein RAS-Zugang ist und dass er auch tatsächlich funktionieren konnte. Es wird nicht nötig sein, dachte ich mir, als ich die Kopfhörer mit dem Laptop verband.
Wie naiv man zuweilen sein kann.

‚Was machen wir mit dir?‘, höre ich meinen Ressortleiter fragen an jenem Freitag, an dem die Supermärkte gestürmt und die Regale leergeräumt werden. Die Frage hat Berechtigung, denn Doris lebt nicht ungefährlich. Sie arbeitet im Krankenhaus.

Kann das alles wahr sein?, denke ich mir und nippe bedächtig an meiner Tasse. In Wien verträgt Kaffee keine Hast. Ich atme tief durch, lege meinen Kopf in den Nacken und die Stirn in grobe Falten und überlege, welche Dinge ich mitnehmen soll. Dies will wohlerwogen sein, ab Montag darf ich nicht mehr her. ‚Gehen wir nächste Woche wieder einmal Mittagessen?‘, reißt mich ein Kollege aus meinen Gedanken.
Ich bedaure. Das könnte etwas länger dauern.

Dann fällt mir ein, dass ich noch einen Bildschirm besorgen sollte, es ist der Laptop-Screen ja doch ein wenig klein. Also fahre ich meinen PC herunter, ziehe den Mantel an und verabschiede mich von meinen Kollegen. Wir haben keine Ahnung, wann wir uns wiedersehen werden.
Die Hände reichen wir uns nicht.

Beim MediaMarkt herrscht Hochbetrieb. Ich stehe in der Computer-Abteilung und halte Ausschau nach einem Verkäufer. Sie sind alle belegt. Zwei Frauen mit Atemschutzmasken reden aufgeregt auf einen Angestellten ein und deuten auf eine Spielkonsole. Ein Mann, Anfang dreißig vielleicht, diskutiert mit einem jungen Verkäufer das Für und Wider eines Macs. Ein Bub starrt auf einen riesigen Fernsehschirm. Vor dem Regal mit den Monitoren stelle ich fest, dass nur mehr sechs zu haben sind. Entschlossenheit ist das Gebot der Stunde.
Vier Minuten später warte ich vor Kassa 1. Fünf Bildschirme sind noch im Angebot.

Zu Hause geht alles ganz schnell. Ich öffne die Verpackung, entnehme den Bildschirm und stecke ihn auf seinen Fuß. Befestige das HDMI-Kabel am Monitor und verbinde ihn mit dem Laptop. Der Esstisch wird zum Arbeitsplatz, es lässt sich nicht vermeiden.
Dann fahren wir in unser Wochenendhaus.

Kurz nach Samstagmittag läutet Doris‘ Telefon.
Der Anruf verheißt nichts Gutes.

Fortsetzung folgt.
Am nächsten Freitag.

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