Das Kondom

Gastbeiträge

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Als Antonio die erbeutete Brieftasche öffnet, findet er 25 Duros und drei Kondome. Leuchthäubchen, Rotes Teufelchen, mit Schokoladeüberzug steht auf den Verpackungshüllen. Er wirft die leere Brieftasche in den nächsten Papierkorb und spuckt auf den Boden. Mierda, das reicht nicht mal für zwei Bier. Er steckt sich die Münzen in die Hosentasche und betrachtet den Rest der Beute. Produkt aus hochwertigem Latex. Druckgeprüft. Reservoir: Teufelchen mit Gummihörnern. Bitte das umlaufende Rollband ganz entrollen, steht auf einem der Päckchen. Verdammt, was mach ich nur mit diesem Scheiss! Er will die drei Kondome der Brieftasche hinterherwerfen, besinnt sich anders und steckt sie dem vorbeihastenden Curro in den Arbeitskittel. Curro merkt nichts, denn Curro hat es eilig. Er ist wieder einmal zu spät unterwegs. Er hatte seine Mappe zu Hause vergessen und musste noch einmal umkehren.

Am Abend ist bei Curro zu Hause der Teufel los. Curros Frau hat in seinem Kittel drei Präservative gefunden, dabei machen sie‘s doch ohne, wenn überhaupt.
Du gehst zu einer andern, schreit seine Frau und wirft die drei Präservative demonstrativ auf den Tisch.
Ich weiss wirklich nicht …! Auf Curros Unschuldsbeteuerungen fliegen Teller und Tassen durch die Luft.
Während die Eltern in der Küche streiten, finden die Zwillinge Alejandro und Juan Miguel auf dem Tisch im Wohnzimmer drei eingepackte Ballone. Sie blasen einen auf, lachen über das sich aufrichtende Teufelchen und lassen ihn zum Fenster rausfliegen. Den mit dem Leuchthäubchen füllen sie mit Wasser und lassen ihn unten auf dem Gehsteig zerplatzen. Den dritten nehmen sie am nächsten Tag mit in die Schule.

Was ist dort hinten schon wieder los, ruft der Lehrer, denn wo die beiden Zwillinge sitzen, ist immer was im Gang. Juan Miguel lässt etwas verschwinden.
Aha! Zeig mal her! Da liegt doch in seinem Etui tatsächlich ein Kondom. Das fehlte noch! Der Lehrer lässt das Päckchen in der Hosentasche verschwinden. Die Klasse lacht.
Was gibt‘s da zu lachen?
Abends sitzt der Lehrer in Pacos Bar und will das Bier bezahlen. Da fällt ihm das Kondom aus der Hosentasche.
Diese Jugend …! sagt er zu Paco, zahlt und lässt das Kondom auf dem Tresen liegen.

Kurz darauf kommt Eduardo verstimmt in die Bar.
Hab ich hier vielleicht meine Brieftasche liegen lassen? Was für ein Scheisstag! Drei Tage habe ich auf den Moment gewartet. Da hab ich sie endlich so weit, wir verabreden uns fürs Kino, und im entscheidenden Moment steh ich da und hab keine Moneten. Brieftasche weg. Da wird sie echt etepetete. Und als wir zum Aussichtspunkt fahren – ich hab meinem Alten für heute die Karre abgeluchst – da hab ich natürlich auch die Präser nicht mit, die ich sonst immer in der Brieftasche hab, für alle Fälle. Und sie war echt zickig und wollte auf keinen Fall ohne. Schöner Reinfall!
Hier ein kleines Gastgeschenk, sagt Paco, serviert ihm auf einem Teller ein kleines Päckchen und grinst.

Als Eduardo die Bar verlässt, haut ihn ein Typ an. Ist er dem nicht schon mal begegnet?
Gib mir 20 Duros für ein Bier, krächzt Antonio.
Bin selbst am Arsch, sagt Eduardo, aber vielleicht kannst du damit was anfangen. Er drückt Antonio im Vorbeigehen das eingepackte Schokoladenkondom in die Hand.
Was soll ich mit dem Scheiss, ich will ein Bier, ruft Antonio in die Nacht hinaus und wirft das Päckchen auf die Fahrbahn. Zwanzig Sekunden später wird es von einem Ford Escort zerquetscht und nach weiteren 3 Minuten von einem Linienbus in den warmen Teer gewalzt.
Dort, zwischen zwei Zebrastreifen vor meiner Haustür, liegt es heute noch, das Kondom, samt den Resten des Päckchens mit der ausgetretenen Aufschrift, für Monate konserviert. Und jedes Mal, wenn ich darüber trete, denke ich mir eine andere Geschichte aus.

Aus:
Karl-Gustav Ruch: Talgo Pendular, Eremiten-Presse 2003

Karl-Gustav Ruch, geboren 1954 in Zürich, lebt seit 1990 in Barcelona. Er arbeitete als Deutsch- und Musiklehrer und ist derzeit als freier Autor tätig. Ab 1987 erste Veröffentlichungen von Kurzgeschichten und Essays in literarischen Zeitschriften. 2004 erschien sein Erzählband Talgo Pendular (Eremiten-Presse), 2011 Hinter der Wand – Geschichten zwischen Zürich und Barcelona (edition 8) und 2017 Das letzte Fenster (hockebooks).
Mit der Erzählung Hinter der Wand wurde er 2009 für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert.
Sein neuestes Buch, der Roman Linas Baum, ist im Mai 2024 bei Sisifo im Leipziger Literaturverlag erschienen.
Karl-Gustav Ruch

Maite Cruz, geboren 1971 in Barcelona, Ausbildung als Fotografin und Illustratorin in Barcelona. Sie arbeitet für diverse spanische Tageszeitungen und Zeitschriften im Bereich Kultur, Politik / Portrait, Illustration, Reportagen; derzeit vor allem als Mitarbeiterin für El Periódico de Cataluña.
Neben der Arbeit für die Presse realisiert sie auch Projekte für die Werbebranche, für Buchverlage und die öffentliche Hand und beteiligt sich an individuellen und kollektiven Foto-Ausstellungen.
maitec00@hotmail.com

Die Textrechte dieses Beitrags liegen bei Karl-Gustav Ruch, die Bildrechte bei Maite Cruz.


Traducción al español por el autor

EL CONDÓN

Cuando Antonio abre la cartera robada, encuentra 25 Duros y tres preservativos. Los envoltorios están etiquetados como receptáculo fosforescente, diablillo rojo, cobertura de chocolate. Tira la cartera vacía a la papelera más cercana y escupe al suelo. Mierda, esto no me alcanza ni para dos cervezas. Se mete las monedas en el bolsillo del pantalón y mira el resto del botín. Producto fabricado con látex de alta calidad. Probado a presión. Depósito: diablillo con cuernos de goma. Desenrolle la cinta enrollable hasta el final, dice en uno de los paquetes. ¡Joder, qué voy a hacer con esta mierda! Quiere tirar los tres condones también a la papelera, pero cambia de idea y los mete en la bata de trabajo de Curro cuando éste pasa corriendo. Curro no se da cuenta, porque tiene prisa. Otra vez llega tarde al trabajo. Se ha olvidado la carpeta en casa y ha tenido que dar media vuelta.

Por la noche, se desata el infierno en casa de Curro. Su mujer ha encontrado tres preservativos en su bata, pero ellos lo hacen sin, si es que lo hacen.
Te vas con otra, le grita su mujer, y tira los tres condones ostensiblemente sobre la mesa.
¡Realmente no sé … ! Platos y tazas vuelan por los aires en respuesta a las afirmaciones de inocencia de Curro.
Mientras sus padres discuten en la cocina, los gemelos Alejandro y Juan Miguel encuentran tres globos envueltos sobre la mesa del salón. Hinchan uno, se ríen del diablillo que se levanta y lo dejan volar por la ventana. Llenan de agua el de la punta fosforescente y lo dejan estallar en la acera. Al día siguiente, llevan el tercero a la escuela.

¿Qué pasa ahí detrás? grita el profesor. ¿Otra vez! Siempre pasa algo donde están sentados los gemelos. Juan Miguel hace desaparecer algo.
¡Ajá! ¡A ver! Encuentra un condón en su estuche. ¡Es lo último que faltaba! El profesor esconde el paquete en el bolsillo de su pantalón. La clase se ríe.
¿De qué os reís?
Por la noche, el profesor está sentado en el bar de Paco y quiere pagar la cerveza. El condón se le cae del bolsillo del pantalón.
¡Ay la juventud! le dice a Paco, paga y deja el condón en la barra.

Poco después, Eduardo entra en el bar enfadado.
¿Acaso me he dejado aquí la cartera? ¡Qué día de mierda! Llevo tres días esperando este momento. Por fin la tengo a punto, quedamos en el cine, y en el momento crucial estoy allí sin pasta, sin cartera. Ella se lo hace currar. Y cuando nos dirigimos al mirador – he conseguido el coche de mi viejo para hoy – por supuesto, ni siquiera tengo los gorritos que llevo siempre en mi cartera, por si acaso. Y ella se puso muy caprichosa, no quería hacerlo sin. ¡Qué fracaso!
Aquí va un regalito para nuestro invitado, dice Paco, le sirve un pequeño paquete en un plato y sonríe.

Cuando Eduardo sale del bar, un tipo se tropieza con él. ¿No le conoce?
Dame 20 duros por una cerveza, ruge Antonio.
Yo también estoy jodido, dice Eduardo, pero quizá tú puedas hacer algo con este chisme. Mete el condón de chocolate en la mano de Antonio cuando éste pasa a su lado.
Qué voy a hacer con esta mierda, quiero una cerveza, grita Antonio en la noche y tira el paquete a la carretera. Veinte segundos después es aplastado por un Ford Escort y, tres minutos más tarde, un autobús lo apisona en el alquitrán caliente.
Allí, entre dos rayas de un paso de cebra frente a la puerta de mi casa, yace todavía hoy, el condón junto con los restos del paquete con la inscripción desgastada, conservado por meses. Y cada vez que lo piso, me invento otra historia.

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