
Die Sprache der Möwen
- Oktober 07, 2025
- by
- Gyrðir Elíasson
Am Ende der Nacht sind die Berge von Raureif grau,
die Farbe des Meers ist so, als hätte man Schmierseife
hineingeschüttet. Ein feuerroter
Traktor kommt die Straße unterhalb
des Bergs entlang, das ist der einzige Ver-
kehr, das einzige Lebenszeichen,
zusammen mit zwei Möwen, die
am Strand stehen und sich unterhalten,
in einer Sprache, die keiner versteht
außer sie selbst und dem Meer,
das alles versteht
Aus:
Gyrðir Elíasson: Die Sprache der Möwen.
Aus dem Isländischen übertragen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer.
Der zweisprachig edierte Band erschien im Oktober 2025 im ELIF Verlag.
Gyrðir Elíasson, geb. 1961 in Reykjavík, wuchs in Sauðárkrókur im Nordwesten Islands auf, lebte einige Zeit in Borgarnes und Akranes, später aber in Reykjavík, wo er an der Pädagogischen Hochschule studierte. Fast sein ganzes Erwachsenenleben lang arbeitet er bereits als freier Schriftsteller und veröffentlicht Gedichtbände, Romane und Sammlungen mit Erzählungen und Kurzgeschichten. Auch als Übersetzer ist er tätig, u.a. von Büchern über und von amerikanischen Ureinwohnern sowie Romanen des amerikanischen Schriftstellers Richard Brautigan.
Für sein Werk wurde der Autor mehrfach ausgezeichnet, u.a. im Jahr 2000 mit dem Isländischen Literaturpreis und 2011 mit dem Literaturpreis des Nordischen Rates. Seine Arbeiten wurden in mehrere Sprachen übersetzt und publiziert, so auch in Deutschland, zuletzt im Jahr 2011, als Island Gastland der Frankfurter Buchmesse war. In Island erschienen 2023, unter einer ISBN-Nummer miteinander verbunden, die Gedichtbände Dulstirni / Geheimer Stern und Meðan glerið sefur / Während das Glas schläft, denen die hier veröffentlichten Texte entnommen sind. Für diese beiden Gedichtbände wurde der Autor mit dem Preis Der Maistern, der in Island höchsten Auszeichnung für Poesie, geehrt. Außerdem erhielt er 2024 den alle zwei Jahre in Schweden vergebenen Tomas-Tranströmer-Preis.
Gyrðir Elíasson lebt in Reykjavík, ist verheiratet und hat drei Töchter.
Gyrðir Elíasson
Jón Thor Gíslason, geb. 1957 in Hafnarfjörður, lebt seit Anfang der 1990er Jahre als bildender Künstler in Deutschland, derzeit in Düsseldorf. Bis 1988 war er professioneller Popmusiker in Island, danach absolvierte er ein Aufbaustudium (Meisterklasse) an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart. Er arbeitete zeitweise als Korrespondent in Deutschland (Kunst und Kultur) für die isländische Tageszeitung Morgunblaðið. In Zusammenarbeit mit Wolfgang Schiffer veröffentlichte er diverse Übersetzungen isländischer Lyrik, vor allem für den ELIF Verlag.
Jón Thor Gíslason
Wolfgang Schiffer, geb. 1946 in Nettetal/Lobberich, studierte Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften; er arbeitete beim Rundfunk und veröffentlichte Hörspiele, Bühnenstücke, Romane und Lyrik, hier u.a. die Gedichtbände „Kalt steht die Sonne“ (Claassen Verlag 1983) sowie „Die Saison geht zu Ende – Ausgewählte Gedichte“ (Aphaia Verlag 2014), „Dass die Erde einen Buckel werfe“ (ELIF Verlag 2022), „Gespräche mit dem Enkel“ (Corvinus Presse 2024) und aktuell „Ich höre dem Regen zu“ (ELIF Verlag 2024). Er ist außerdem als Herausgeber (zuletzt „Die Backstage eines Buches – Wege und Irrwege literarischen Arbeitens“, hrsg. zus. mit Dinçer Güçyeter, ELIF Verlag 2025) und Übersetzer tätig, insbesondere isländischer Literatur, in den letzten Jahren verstärkt in Zusammenarbeit mit dem isländischen Künstler Jón Thor Gíslason und überwiegend für den ELIF Verlag, der bislang neun in gemeinsamer Übersetzung entstandene Bände zeitgenössischer isländischer Lyrik sowie einen Erzählungsband veröffentlicht hat.
Wolfgang Schiffer erhielt für seine Arbeiten mehrere literarische und kulturelle Auszeichnungen, u. a. das Ritterkreuz des Isländischen Falkenordens und den Isländischen Kulturpreis des Fonds Islands Banki; er lebt in Köln und in Prag.
Wolfgang Schiffer
Gemeinsam gestalten Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer außerdem die Reihe Wortlaut Island in der Online-Literaturzeitschrift Signaturen-Magazin, die zweimal im Monat Übersetzungen zeitgenössischer Lyrik aus Island vorstellt.
Die Rechte am Originaltext liegen beim Autor, die der deutschen Übersetzung beim Verlag. Die Bildrechte am Foto liegen bei Wolfgang Schiffer, am Layout bei Arnd Schäfer.
MÁVAMÁL
Fjöllin eru hrímgrá eftir nóttina,
sjórinn á litinn einsog grænsápu
hafi verið hellt í hann. Eldrauður
traktor kemur eftir veginum
undir fjallinu, það er eina um-
ferðin, eina lífsmarkið, ásamt
tveimur mávum sem standa í
flæðarmálinu og tala saman
á máli sem enginn skilur
nema þeir og hafið
sem skilur allt