Distanz

Wie sehr du dich verändert hättest, sagst du. Das hätte dich wirklich erschreckt. Gefreut auch, das schon, weil du heute vieles entspannter sehen, nicht so scharf urteilen würdest, sagst du und schaust auf deine Hände, die auf dem Tisch liegen, die Tasse umklammern. Du lächelst. Deinen eigenen Brief zu lesen, nach zweiunddreißig Jahren, sei eigenartig. Als hätte ihn ein anderer Mensch geschrieben. Ich nicke, lege meinen Kopf schief, lächle dich an. Das warst du ja auch, sage ich. Ein anderer Mensch. Du lachst, streichst dir eine Strähne aus dem Gesicht. Ich danke dir, sagst du. Dass du mir den Brief gezeigt hast. Ich denke, ich hätte dir keinen besseren schreiben können, damals. Nein, das hättest du nicht, antworte ich, nicke mit dem Kopf, obwohl ich ihn doch schütteln sollte. Ob du weißt, wie sehr ich dich geliebt habe? will ich fragen. So viel Zeit ist vergangen, sage ich. Wir sind nicht mehr die, die wir waren. Du lachst, siehst zur Tür. Wie könnten wir? meinst du, reichst mir den Brief. Weißt du, was mich am meisten verblüfft? fragst du und gibst dem Kellner ein Zeichen. Ich schaue auf, hebe die Augenbrauen, bleibe stumm. Ich bin im Kopf vielleicht sogar jünger als damals, sagst du. Ich lächle, schweige, weiß: ich bin es nicht.