Lebens-Lauf

Lebens-Lauf

Dein Anruf, nach all den Jahren. Du seist in der Stadt, sagtest du; ob ich Zeit für dich hätte? Ich spürte das Dunkle, das dir in der Seele hing, sah auf die Uhr, nickte. Wo? fragte ich, hörte dein Lachen; es klang anders als damals, da wir Freunde waren.
Als ich dich sah, dich in die Arme schloss, erschrak ich. So mager warst du, wogst keine fünfzig Kilo. Du lächeltest, schwiegst eine Weile; ich störte dein Schweigen nicht. Komm, sagte ich, neigte den Kopf, ging neben dir her wie ein Fremder. Von deiner Krankheit sprachst du erst, als wir saßen. Den Kaffee, der vor dir stand, hast du nicht angerührt. Das Wasserglas hieltst du in beiden Händen, trankst nicht. Du sprachst, wogst deine Worte ab, ich ließ dich reden. Und all die Zeit, die wir beisammensaßen, war mir, als hätten wir einander betrogen, damals, als wir die Freundschaft verdorren ließen wie eine Pflanze, die man nicht hegt, achtlos vergisst.

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