Irrwege

Peloponnes

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Bei der nächsten Kreuzung links halten, habe ich gesagt. Dann der Inachou-Straße folgen, bis sie in die Nafpliou übergeht, den Kreisverkehr bei der BP-Tankstelle in gerader Richtung verlassen und bei der Motorradwerkstatt links abbiegen. Ich finde, das ist recht präzise. Das kann man schon so machen. Das geht.
Rechts ist er abgebogen.

Ich hab mir gedacht, wir schauen uns noch das antike Theater an, hat er gesagt. Das wäre nicht weit. Nur einen Kilometer oder so. Gleich unterhalb vom Berg, den man da sieht. Nicht zu verfehlen, theoretisch. Praktisch ist das kein Problem.
Willkommen in Argos.

Einfach geradeaus fahren lautet der famose Plan. Das funktioniert. Fünfhundert Meter lang. Ich sehe, wie die griechisch-orthodoxe Kirche auf der falschen Seite an uns vorüberzieht und zucke mit den Schultern. Ein Stückchen weiter liegt ein Handyshop, dann ein Geschäft für Sanitärbedarf. Ein Moped überholt uns rechts. Zwei Männer sitzen vor einem winzigen Lokal auf dem Gehsteig und trinken griechischen Kaffee. Ein Hund döst neben einem Gemüseladen. Dann endet die Straße. An einer T-Kreuzung. Manfred dreht sich zu mir um und fragt ganz aufgeregt: links oder rechts? Sag schnell.
Herrschaftszeiten.

Rechts, sage ich. Richtung Berg. Hab ich mir eh gedacht, meint mein Ehemann leichthin, während Google Maps verbissen versucht, uns wieder auf den Weg in Richtung Nafplio zu manövrieren. Es kann ja nicht wissen, dass sich jemand für das hiesige Theater als Etappenziel entschieden hat. Mittlerweile sind wir im Zentrum von Argos unterwegs, wo jede zweite Gasse eine Einbahn ist. Der Verkehr, eben noch überschaubar und flüssig, ist nun dicht und zäh. Wir fahren im Schritttempo. Fußgänger queren die Straße, zwängen sich durch den schmalen Spalt, der sich zwischen den Stoßstangen der stehenden Autos auftut. Verschwinden in einer der engen Seitengassen, einem Geschäft oder hinter einem Lieferwagen. Ein alter Mann mit Hut zwingt seinen Toyota in die kleine Lücke, die Manfred vor unserem Hyundai lässt. Links weitet sich ein Platz, in dessen Mitte eine Kirche steht. Es folgen eine Bank, ein Taxistand, ein Sportgeschäft. Dann eine Kreuzung.
Grad weiter oder links?, will Manfred wissen. Warum er mich fragt, bleibt mir ein Rätsel. Google Maps ist schon ganz unglücklich mit uns und will uns immer noch nach Nafplio lotsen. Ganz einfach ist das nicht, sage ich, während Manfred unwirsch meint: ich fahr jetzt gradeaus. Dann sehe ich ein Hinweisschild, auf dem ‚Theater‘ steht, wenn auch auf Griechisch.
Es weist nach links.

Na gut. Dann eben in die nächste Straße einbiegen. Was nicht geht, weil Einbahn. Zu weit gefahren, gar nicht gut. Also stoppen, sudern, wenden. Einen großen Bogen machen, sich durch eine kleine Seitengasse zwängen, vorbei an einem mobilen Toilettenhäuschen und einem Abbruchhaus. Auf bekanntes Terrain stoßen und das Geschäft für Sanitärbedarf wiedererkennen. Noch einen knappen Kilometer bis zum antiken Theater.
Das kann nicht lange dauern.

Mein Mann ist ungehalten. Wer soll sich denn in diesem Irrgarten auskennen?, fragt er. Eine Antwort erwartet er nicht. Der Hund vor dem Gemüseladen ist wach geworden und läuft vor unser Auto. Manfred flucht. Und bremst abrupt. Ich hab geglaubt, es wäre eine gute Idee, sagt er.
Der Hund quert ungerührt die Fahrbahn.

Zwei Tassen griechischen Kaffees stehen vor uns auf dem Tisch. Heraußen, auf der windgeschützten Terrasse, ist es bemerkenswert still, selbst der Verkehrslärm ist kaum zu hören. Ich nehme das kleine Schokostück, das der freundliche Kellner auf den Löffel gelegt hat und sehe Manfred im Inneren der Taverne verschwinden. Toilettenstopp. Ja, Argos war eine gute Idee, das Theater jeden Irrweg wert, denke ich mir. Wo früher zwanzigtausend Menschen Platz fanden, waren wir beinah alleine. Ich nehme einen Schluck Kaffee, er ist heiß und kräftig. Blicke zum Olivenbaum, der ein paar Meter entfernt steht und auf dem die Zikaden gerade ihr knatterndes Lied anstimmen. Dann kommt Manfred zurück, greift nach seinem Rucksack und setzt sich die Sonnenbrille auf.
Auf nach Nafplio, sagt er. Du weißt den Weg?

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