Anker

Aus dem Alltag

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Es war ein Missgeschick, das mich in mein Heimatdorf brachte. Ich war am Rückweg von einem Treffen mit M., den ich seit Monaten nicht gesehen hatte, nahm am Autobahnkreuz, noch meinen Gedanken über das gelungene Wiedersehen nachhängend, die falsche Ausfahrt, fand mich in der Richtung wieder, die mich nach K. führen würde. Ich weiß noch, wie sehr mich meine Achtlosigkeit ärgerte, wusste auch, dass eine Umkehr erst an jener Abzweigung in einigen Kilometern möglich war, an der ich als Fahranfänger mit erschreckender Beständigkeit ein Vorrangzeichen übersehen hatte. Ich schnalzte mit der Zunge, sah auf den Horizont, suchte jene Stelle links der Hügelkuppe, an der ich K. vermutete. Wie viele Jahre, fragte ich mich, war ich nicht dort gewesen? Zehn? Zwölf? Es war merkwürdig, die Antwort nicht mit Bestimmtheit zu wissen. Aus einem Impuls heraus, der mir mehr dem Ruf einer inneren Stimme geschuldet schien als simpler Neugier, fuhr ich an der Abzweigung vorbei. Es war früher Nachmittag; ich hatte es nicht eilig.

Ich stellte das Auto am Ortsrand ab, nah jener Stelle, an der in meiner Kindheit ein Transformatorhäuschen stand. Wiesen und Äcker begrenzten, wie seit Jahrzehnten schon, die Häuser der Gasse, die der Ebene am nächsten lag, schoben sich westwärts, bis sie auf die ersten Häuser des Nachbardorfs trafen und, wie ich annahm, immer noch vor weißen Mauern, bunten Zäunen und einer Staubstraße endeten. Ohne zu wissen, was mich erwartete, was ich erwartete, tat ich ein paar Schritte, ging in den Ortskern, hielt Ausschau nach vertrauten Dingen, bekannten Gesichtern. Ich ging wohl zwanzig Minuten, mal in die eine, dann in die andere Richtung, doch bis auf zwei Buben, die Fangen spielten, und einer jungen Frau, die freundlich meinen Gruß erwiderte, traf ich niemanden. Im Schatten einer mächtigen Weide blieb ich stehen, fragte mich, was ich zu sehen gehofft hatte. Die Gassen, gestand ich mir ein, waren mir fremd geworden und mit ihnen meine eigene Kindheit. Als ich den Rücken streckte, zum Auto zurückkehren wollte, hörte ich eine Stimme, die meinen Namen rief. Ich wandte mich um, sah den alten Kornhäusl, der Postbote gewesen war zu seiner Zeit. Er lächelte mir zu. Komm, sagte er, deutete auf die offene Haustür, winkte mich zu sich.

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