Ein Abend voll Poesie

Aus dem Alltag

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‚wieviel ist nötig an wachsamkeit / ist nötig in den zeiten der bluthunde / schwall um schwall / die jagen und jagen die nächsten / die nächsten sind wir / strichliert fällt die zukunft aus den blättern‘
(Erika Kronabitter, aus dem Lyrikband Podium Porträt 99, Dezember 2018)

Ein stimmiger Abend voll Poesie beginnt mit prosaischem Unbill. In einer Stunde fängt sie an, die heutige Autorenlesung. Allein, es ist nicht viel davon zu merken im Café, denn manches Wissen geht verschütt, in kleinen wie in großen Dingen. Doch mit Ruhe und Besonnenheit lässt sich mitunter auch in kurzer Zeit vollbringen, was akkurate Planung nicht besser leisten könnte.

Noch zehn Minuten. Das Rednerpult ist aufgebaut, die Soundanlage steht bereit. Bewegung erfasst das Publikum, das sich – gemach, gemach – nach dem Podium auszurichten beginnt, als würde es von einem starken Pol geleitet. Dort aber läuft nicht alles rund, die Technik aus dem Ruder. Denn aus den Boxen dringt kein lauter Ton.
Die Welt ist eine Laienbühne. Und doch gelingt es ein ums andre Mal, ein würdevolles Stück zu spielen.

Es ist Johannes Tröndle, der den Abend rettet. Und seine eigene Lesung. Ein ausgebildeter Cellist, ein ausgezeichneter Autor. Einer, der den richtigen Kontakt findet. Zum Publikum und beim Verstärker.
Die Technik ist bezwungen. Wir rücken unsere Sessel zurecht, leeren den Verlängerten, stellen das Glas Wein beiseite. Wir sind bereit.

Zuerst Erika Kronabitter. Mit sanfter Stimme und starkem Ton füllt sie den Raum mit Poesie. Die zarten Flammen der Teelichter auf den Tischen scheinen im Rhythmus ihrer Worte zu tanzen. Der Tanz weilt viel zu kurz.

Ich nippe am Zweigelt, als Johannes Tröndle Platz nimmt. Der Musiker und Autor, der Retter des Abends. Und wie ein Bildhauer, der mit präzisem Meißelstoß sein Werk erschafft, formt er mit blindem Selbstverständnis Lyrik. Sie ist voll Kraft und Melodie.

Jetzt Monika Vasik. Beginnt mit einer Hommage an eine der ganz Großen. Eine, die sich zu behaupten wusste in einer Welt, die weder schwarz noch weiblich war. Ella. Dann Liebeslyrik. Vasiks Worte regnen sanft auf uns herab, rühren uns an, hüllen uns ein.
Rauben uns der Zeit.

‚Dieser Duft deiner Achsel / und danach / an meinem Rücken / schmiegsame Wärme / nachtüber deine Hand / in der aufgeknöpften Brust / im Aufwachen getrennt / gleichwohl eins als sei es / selbstverständlich / im Feuer deiner Augen / den Grund zu sehen / und dieser Mund / und immer noch‘
(Monika Vasik, aus dem Lyrikband ‚zwei.hautnah‘, Verlagshaus Hernals 2012)

Ein stimmiger Abend voll Poesie begann mit prosaischem Unbill. Es ist Luis Stabauer, der ihn literarisch beschließt. Er tritt ans Mikrofon, setzt seine Brille auf. Und hält kurz inne.
Bevor er uns noch einmal entführt in eine Welt, die mit so wenigen Worten auskommt und doch so viel zu sagen hat.

‚zeilen / fallen aus dir / breiten sich aus / bekommen flügel / nehmen mich mit‘
(Luis Stabauer, aus dem Lyrikband ‚UND‘, erscheint 2019 im MITGIFT Verlag)

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