Go West

Aus dem Alltag

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In weitem Bogen windet sich der Polo Richtung Autobahn. Umkurvt den Mistplatz Auhof, diese spröde Zierde des Wientals, beschleunigt forsch in artgerechtem Tempo, trägt mich unwillig, doch stumm nach Pressbaum.
Es ist Freitagabend und eine Fahrt über die öden Asphaltbänder der A1 eher am unteren Ende meiner Bedürfnisskala. Und doch bringt mich der Polo westwärts, weg von dem Ort, an dem ich gerne wäre, raubt mir die Zuneigung des heimatlichen Kanapees. Die Lichtkegel des einzigen Gefährts vor mir verdämmern langsam hinter einer fernen Kurve, als mir die Tankanzeige mit einem leidlich spöttischen Signal ihre beunruhigende Botschaft kundtut.
Dann verschwinde ich im kalten Dunkel des Wienerwalds.

Dabei hätte der Abend so vielversprechend begonnen. Bei diesem unerwartet authentischen Chinesen, wo Hühnermagen und Schweinedarm im nachbarlichen Feuertopf gelandet sind, der fröhlich blubbernd seine Gäste nährte. Nur die wild blinkenden Lichter eines Feuerwehrgroßeinsatzes, die Straße vorm Lokal erhellend wie eine blaustichige Lichtorgel die Dunkelheit einer in die Jahre gekommenen Provinzdiskothek, hätten als unheilvolle Vorboten drohenden Unbills gedeutet werden können.
Wir aber waren frohen Mutes.

Der Weg zu unserem Wochenendhaus beginnt mit einem fruchtlosen Akt. Den Finger noch am Türöffner, starre ich ungläubig auf den Polo und denke still die Worte ’nicht schon wieder‘, bevor ich sie wohl auch laut ausspreche. Die Batterie, erst sieben Monate im Bauch des heimischen Gefährts, verwehrt den Dienst, als wäre dies ihr gutes Recht. Und alles, was der Zündschlüssel uns beschert, ist ein famoses Feuerwerk aufflackernder Kontrollleuchten, die deutlich schneller wieder verlöschen als der Brand von grade eben.
‚Schaut ganz nach einem Garantiefall aus‘, meint der freundliche Mann vom Autofahrerclub, bevor er uns mit leichter Hand und spitzem Finger einen Ausdruck reicht, auf dem sich bloß zwei Worte wiederfinden: ‚Zelle defekt‘. Prosa in Kurzform.

‚Garantiefälle können wir leider nicht ambulant erledigen, da müssen Sie morgen in den Stützpunkt‘, und flugs ist unser Samstagvormittag verplant. Spricht’s, greift flink nach Kabel und Klemme und haucht dem Wagen neues Leben ein. Mit sanftem Brummen springt der Motor an, als wäre nichts geschehen, darf freilich nicht mehr ruhen. ‚Na gut‘, höre ich mich kraftlos sagen, die elende Akustik der Garage würdigt ohnedies kein festes Wort. ‚Dann wollen wir das müde Ding mal aufladen.‘
Und schon befinde ich mich auf dem Weg nach Pressbaum.

Das Radio bleibt stumm, während der Polo durch die Dunkelheit des Wienerwalds pflügt und mich von Tisch und Bett entfernt. Mir ist nicht nach frivoler Unterhaltung. Dann, die Lichter der Großstadt noch im Rückspiegel, die Düsternis des Wienerwalds bereits vor Augen, leuchtet froh und unbeschwert die Tankanzeige auf.

Schneidig legt sich der Polo in den Kreisverkehr, es zieht uns beide Richtung Heimat. Wirbelt vorbei am einzigen Auto weit und breit. Es ist die Polizei.
‚Verkehrskontrolle‘ ist ein Wort, das ich jetzt fürchten würde. Ich könnt‘ es mir nicht leisten, den Motor abzustellen.

‚Die Batterie ist doch in Ordnung, auf Garantie tauschen kann ich die nicht‘, vermeint leichthin der junge Mensch am nächsten Tag, dreht sich dann um und blickt in zwei entschlossene Gesichter. ‚Lass mich‘, sagt Doris ruhig.
Und keine vier Minuten später fährt der Polo westwärts, die neue Batterie verstaut im Bauch des heimischen Gefährts.

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