Beiträge aus Aus dem Alltag Kategorie
Zwei Leben in Deutschland

Zwei Leben in Deutschland

Hans hat kein Glück. Gleich wird er entdeckt werden. Es ist unmöglich, dass er nicht entdeckt wird auf diesen vier Quadratmetern. Unmöglich.
Er liegt am Boden, hält den Atem an. Spürt, wie der Staub in seiner Nase kitzelt. Starrt auf die Matratze, die über ihm hängt. Ganz nah. Die Matratze, auf der die beiden Männer sitzen. Die beiden Männer, die sein Tod sein werden.

Er ist achtzehn Jahre alt.
Er ist Jude.
Er ist Deutscher.

Seit zwei Jahren ist er auch: Waise.

Der Tod der Mutter: Darmkrebs. Mit dem Bruder Gert, neun Jahre erst, ins Waisenhaus. Er will seinen Bruder...

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Fluchtpunkt

Fluchtpunkt

Flucht, denkt er. Stolpert vorwärts, hinkt ein wenig seit dem Sprung in den Straßengraben vor zwei Tagen. Weiß, wie knapp er den Kugeln entkommen ist. Hört noch das Dröhnen des Flugzeugs, das Knattern der Schüsse. Die Schreie der Kameraden. Drei tot, auch der Josef aus dem Nachbardorf. Flucht, denkt er also. Denkt es, obwohl sie...

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Gestern erst

Gestern erst

Im Hintaus der Taubenschlag. Der Pflug, der vor dem Birnbaum liegt. Der alte Traktor, der in der Hofecke steht seit dem Achsbruch und den Weg noch nicht gefunden hat zum Schrottplatz. Die Kinderschaukel, die an der Linde hängt.

Hühner, die über den Hof ziehen, scharren, picken, den Hahn nicht beachten, der auf dem Motorblock des Traktors...

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Kopfsache

Kopfsache

Ich sitze. Ich sitze am Bett eines Kranken.
Ich werde nicht lange hier sitzen.
Er wird nicht lange hier liegen.

Drei Monate zuvor: ein leichter Kopfschmerz. Ein Schwindelgefühl. Die Vorahnung, dass etwas ist, das nicht sein soll. Nicht gedacht werden darf. Bald ein Befund: Glioblastom.

Glioblastom, das: bösartige Geschwulst im Großhirn. Die Behandlung besteht in operativer Reduktion...

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Nach dem Besuch

Nach dem Besuch

Saß man nun wieder allein am Tisch. Sah auf die leeren Tassen, den Tropfen verschütteter Milch, den Kuchen, der in der Tischmitte stand und verloren wirkte in seiner kaum berührten Ganzheit. Horchte den Stimmen nach, die eben noch den Raum erfüllt, für eine Stunde die Einsamkeit vertrieben hatten. Schob den bitteren Geschmack beiseite, den das...

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