Nachbarschaft

Aus dem Alltag

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Es gibt Menschen, die reden so leise, dass man sie kaum verstehen kann. Das sind jene, die etwas zu sagen haben und denen du gerne zuhören würdest. Andere wieder haben eine Stimme wie ein Skalpell. Das sind die, die an deinem Kleingarten vorbeigehen, wenn du grad gemütlich im Liegestuhl lümmelst und kurz vorm Einschlafen bist. Und dann gibt’s noch die, deren Stimme wie gepresster, ungehemmter Stuhlgang klingt. Das sind dann garantiert deine Nachbarn.

CLAU-DI-AAAA plärrt es durch die Kleingartensiedlung und es ist schlichtweg ein Wunder, dass nicht drei Dutzend Vögel den plötzlichen Herztod erleiden und, einer morbiden Choreographie folgend, mausetot in die Tiefe stürzen. Mit Claudia ist natürlich nicht die Schiffer gemeint, sondern die wenig anmutige, dafür horizontal herausgeforderte Tochter unserer vis-à-vis Nachbarn. Der Herr Nachbar von schräg gegenüber ja eh ziemlich ruhig, also relativ gesehen zur eigenen Gattin zumindest, für gewöhnlich sediert durch bemerkenswerte Mengen an Alkohol, im Vergleich zu dem war der Edmund Sackbauer ein Temperenzler. Aber die Frau Mama, ja frage nicht. Ein Organ wie ein Überschallflugzeug und beim Trinken ihrem alkoholaffinen Mann um nichts unterlegen. Und eine Ausdauer hat sie beim Reden, da kommt der Ofczarek nicht ran und nicht einmal der Brandauer, nur die Stimme erinnert halt ein wenig an gepressten Stuhlgang.

CLAU-DI-AAAA brüllt sie also, und wundern kann man sich schon, weil das Fräulein Tochter steht ja doch nur zwei Meter von ihr entfernt. Sollte ich je ein gesteigertes Bedürfnis nach einem gepflegten Tinnitus entwickeln, ich werde nach der billigsten Flasche Wein greifen, derer ich habhaft werden kann und mutig ihr Gartentor durchschreiten.

Das Thema Nachbarschaft ohnehin immer ein sensibles, wurscht ob im Kleingarten, in einer Reihenhaussiedlung oder von mir aus auch in einer Justizvollzugsanstalt. Und deinen Nachbarn kannst du dir halt nicht aussuchen, weil wenn man das könnt‘, der Großteil der Menschheit wär‘ unterstandslos. So muss man sich zwangsläufig arrangieren mit seinen Nächsten und deren Hobbies und Eigenheiten. Was in den meisten Fällen bedeutet, sich in stillem Dulden zu üben, denn noch ist er sozial geächtet, der mitunter effizienteste Weg, derartige zwischenmenschliche Problemfelder zu bereinigen: der professionelle Gebrauch einer Faustfeuerwaffe.
Natürlich, man kann auch an seinen botanischen Fertigkeiten feilen, wozu hat man ihn denn, seinen Kleingarten? Und dann mitunter die Erkenntnis gewinnen: diese Nachtschattengewächse können allerhand, da macht das Gerede vom lebenslangen Lernen dann doch wieder Sinn.

WER WÜ NO A BIA?, trompetet es so schrill durch die Siedlung, dass eine Horde Krähen aufgeregt das Weite sucht. Ja, meine Schöne, denke ich mir. Belladonna könnte das Mittel der Wahl sein.

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