Tränen im Seewinkel

Aus dem Alltag

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So ein Zündschlüssel ist nicht viel wert, wenn man ihn dreht und es passiert: genau gar nichts. Kein Mucks, kein Klicken, ja nicht einmal ein ‚jetzt lass mich halt heut einmal in Ruh‘, ich will nicht schon wieder ins Burgenland‘ ist aus dem Polo rauszukriegen. Ist sie wohl von uns gegangen in ihrem neunten Lebensjahr, die Batterie.

Was willst du in so einer Situation schon machen, sollst du jetzt ein Requiem aufführen lassen? Also reagiert man unsentimental und ruft den ÖAMTC und, man glaubt es ja nicht, der ist schneller da als du deine Weckerl und den Samstags-Kurier holen kannst, also Hut ab. Der Automann eh beeindruckt von der Lebensdauer, weil fast neun Jahre sind ja schon für einen Hund nicht wenig, aber für eine Autobatterie halt richtig viel. Aber tot ist sie jetzt trotzdem, da helfen kein Elektroschock und keine Mund-zu-Mund-Beatmung, da hilft nur mehr eine Organspende.
Also alte Batterie raus und neue rein, Operation am offenen Herzen quasi, und der Automann ist im Handumdrehen fertig und alle sind so zufrieden und glücklich, sowas siehst du sonst nur in der Fernsehwerbung. Geb ich dem Polo einen Klaps und sag zu ihm: wird nix mit Sitzstreik, kommst ja doch mit uns mit ins Burgenland. Auf geht’s.

Der Seewinkel immer noch so flach wie vor dreieinhalb Wochen, was jetzt aber auch kein großes Wunder ist, weil für Gebirgsbildung ist das schon eine recht kurze Zeitspanne. Und im beschaulichen Sankt Andrä dann wieder der Neubau von Brigitte und Phil, diesmal zwar ohne die Männer vom Wasserleitungsverband, dafür aber mit der Brigitte, was für uns eine ungleich nettere Gesellschaft bedeutet und einen Kaffee kriegst du dann auch. Der Phil leider schon wieder am Rückweg nach Shanghai, der sitzt wahrscheinlich schon im Flieger und hetzt seinem nächsten Jetlag entgegen, das kann dir auf einer Reise von Wien nach Sankt Andrä beim besten Willen nicht passieren. Und während wir grad das Haus anschauen, diesmal halt von innen, geht die Tür auf und der Phil kommt herein, ganz ohne Jetlag zwar, aber halt auch ohne Abflug nach Fernost. Weil Taifun im Anflug auf Shanghai, dafür aber keine Langstreckenflüge. Und siehst du: zuerst hat unser Auto einen Sitzstreik probiert, gelungen ist’s dann aber dem Flugzeug und da darfst du dich nicht wundern, wenn dann immer so viel Verkehr ist auf der A4.

Es ist dann ein gemütlicher Nachmittag geworden, mit Kaffee und Plauderei und das Haus ganz entzückend, das ist ja immer so eine entspannende Phase am Anfang, wenn das Haus schon steht und du die ganzen versteckten Mängel noch nicht kennst. Die Wassermassen, die dann runtergekommen sind vom Himmel, haben nur bedingt gestört, weil im Rosenhof in Illmitz sind wir trotzdem im Freien gesessen beim Abendessen, also so ein Arkadenhof ist schon eine tolle Sache. Nur der Storch am Dach oben, der ist ordentlich nass geworden, aber wenn er geklappert hat, war’s wenigstens nicht vor Kälte.

Übernachtet haben wir übrigens auch im Rosenhof, allein schon des super Frühstücks wegen, das du dort bekommst. Nur beim Gemüse aus dem Seewinkel muss man ein bisserl aufpassen, weil die haben dort Paprika liegen, da würden auch die ungarischen Nachbarn sagen: ja, die kann man schon essen. Intuitiv greift man da wahrscheinlich eh zu einem milderen Exemplar, man soll ja die somatische Intelligenz nicht unterschätzen. Genau weiß man das aber nicht, weil essen tust du ohnehin garantiert nur einen. Und meiner nach einem ersten Probebiss eh recht dezent, also dezent halt im Sinne von brennen tut’s schon ganz ordentlich, aber Löschzug brauchst du noch keinen. Schnippel ich ihn mir halt zurecht und futter ihn tapfer, untermalt von sich in der Dramatik stetig steigernden Unmutsbekundungen, weil Löschzug schön langsam doch angemessen, aber gut: es geht. Wirklich.
Könnt‘ ich bitte noch ein Kännchen Milch haben?

Und den Moment, wo ich den letzten Bissen runtergeschluckt hab von dem Teufelszeug, wisch ich mir mit dem kleinen Finger eine Träne aus dem Augenwinkel, die wird wahrscheinlich da gewesen sein, weil der SC Neusiedl die Admira rausgeschmissen hat aus dem Cup. JÖSSASMARIAUNDJOSEF!!! Ma, das brennt, bist du g’scheit, als würd dir grad einer den Augapfel mit einer Nagelschere tätowieren. Die Doris wie üblich ganz gefasst, die ist das eh schon gewohnt, dass ich mir im Burgenland ständig weh tu, ist halt heut das Aug dran. Und solang’s noch drin ist, ist auch noch nix verloren, macht er halt ein bisserl einen Wind und ich les‘ in Ruhe meine Zeitung fertig. Und recht hat sie, weil was soll man da jetzt auch machen, das Aug ist ja doch deins und so schaust halt, dass du schnell auf deine Beine kommst und dich Richtung Zimmer bewegst, wenn auch momentan nur einäugig. Und dort dann Wasser aufs Aug rinnen lassen und zuschauen, wie’s ganz rot wird wie ein Brite unter griechischer Sonne und durchschnaufen, wenn die Nagelschere offenbar zum Tätowieren aufgehört hat.

Und den festen Vorsatz fassen: Paprika aus dem Seewinkel lass ich für heute lieber bleiben, ich ess‘ jetzt noch einen Guglhupf.

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