Umsicht

Aus dem Alltag

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War da also jener Tag, an dem Hans Taschner sein Haus verließ, die Straße querte, die Gasse entlangging, die ihn zum Haus der Cousine führte. Es war kein weiter Weg, vierhundert Schritte vielleicht, und der einzige, dem er begegnete, war ein Kater, der träge im Schatten eines Kirschbaums lag. Taschner, der langsam ging, achtsam die Gegend besah, zwinkerte ihm zu, musste lächeln, als der Kater gähnte. Als er vor dem Haus mit dem grünen Gartenzaun und den himmelblauen Fensterläden stand, hob er den Kopf und sah die Wolke, die einer Schildkröte glich. Es verging eine Minute, bevor er sich umwandte und läutete.

Wir haben uns lange nicht gesehen, sagte Martha, als sie am Küchentisch saßen. Magst du wirklich nur Wasser?
Er nickte. Ich bleibe nicht lange, meinte er und griff nach dem Glas, das vor ihm stand. Er hielt es eine Weile in der Hand, bevor er einen Schluck tat. Du weißt ja, dass ich nicht der Geselligste bin.
Sie lachte. Ja, das kann man so stehen lassen, denke ich. Außerdem hast du ja Manuel. Wie geht’s ihm?
Hans lächelte. Er ist ein guter Junge, sagte er. Und klug. Ein wenig zu ernst vielleicht, aber –
Martha sah ihren Cousin an, unterbrach sein Schweigen nicht. Sie überlegte kurz. Vier Jahre bald, dass Miriam gestorben war.
Hans räusperte sich, klammerte sich an sein Glas. Er vermisst sie natürlich, sagte er. Und ich bin ein alter Mann. Ich kann ihm weder Mutter noch Vater ersetzen.
Das musst du nicht, Hans. Martha nahm seine Hand, drückte sie. Du bist sein Großvater. Du hast ihm ein Zuhause gegeben, als er eines gebraucht hat. Und Geborgenheit. Sie lächelte, ließ seine Hand los. Sprecht ihr noch oft von ihr?
Er schüttelte den Kopf. Im Reden sind wir beide nicht gut, sagte er.
Also schwiegen sie eine Weile.

Ich habe Krebs.
Was hast du gesagt?
Darmkrebs. Ich weiß es seit letzter Woche. Er trank einen Schluck Wasser. Es sieht nicht gut aus, sagen sie.
Ich – mein Gott!
Manuel weiß es noch nicht. Ich wollte zuerst mit dir reden.
Was -?
Ich wollte dich fragen, ob du für ihn sorgen willst, später. Überleg es dir. Ich will dich zu nichts drängen, Martha. Er griff nach ihrer rechten Hand, nahm sie in seine. Ich werde jetzt gehen, sagte er. Melde dich, wenn du mir Antwort geben kannst. Egal welche.

War da also jener Tag, an dem Hans Taschner das Haus seiner Cousine verließ, die Gasse entlangging, die ihn nach Hause führte. Es war kein weiter Weg, vierhundert Schritte vielleicht, und der einzige, dem er begegnete, war ein Kater, der im Schatten eines Kirschbaums lag, ihm entgegenlief, sobald er ihn sah.

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