Vom Pinkelstein zum Weberkeller

Weinviertel & Seewinkel

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Man glaubt gar nicht, was die Leute alles als Sehenswürdigkeiten anpreisen. Obwohl: da ist der Konkurrenzdruck heutzutage schon recht groß. Wenn du da nicht zumindest eine Originalpartitur von Modern Talking oder das letzte Fluchtachterl vom Roy Black vorweisen kannst, bist du am Tourismusmarkt gleich ganz schnell im Abseits. Das haben die in Raschala natürlich auch erkannt, und weil dort weder der Dieter Bohlen noch der Roy Black je vorbeigekommen sind, haben sie sich nach einem anderen Promi umschauen müssen. Und sich nach fast zweihundert Jahren daran erinnert, dass der Mozart Wolfgang auf seiner Reise nach Prag just in Raschala seine Blase entleeren hat müssen. Was zwar eine reine Erfindung war, theoretisch aber schon hätt‘ sein können, weil was willst du sonst schon in Raschala machen? Und so hat man halt am Beginn der örtlichen Kellergasse ein Denkmal errichtet: den Pinkelstein.
Eh.

Und da muss man sagen: Hut ab vor denen in Raschala, weil eine bescheidenere Art, am Genie eines Mannes teilzuhaben, ist kaum vorstellbar. Und irgendwie sind wir uns nicht sicher, ob nicht doch was dran ist an der Geschichte, weil am Ende der richtig pittoresken Kellergasse ist so ein Hohlweg und der Frühstückskaffee muss ja auch irgendwo hin. Aber das tut ja nun wirklich nichts zur Sache.

Als Ludwig Weber in den Wintermonaten der 1920er-Jahre die Stufen zu seinem Weinkeller in Röschitz hinabgestiegen ist, tat er das nicht um zu saufen, was ja für sich genommen schon recht ungewöhnlich war. Der Keller war, wie die anderen in der Gegend auch, aus Löss, das Taschenfeitl schnell zur Hand und die Winter recht lang. Und der Ludwig Weber nicht untalentiert, das hat man ihm schon lassen müssen. Figur um Figur hat er als Relief in das weiche Sediment geschnitzt. Das war recht unsystematisch, da ist der Andreas Hofer gleich unterm Erzherzog Johann und der Hindenburg neben dem Engelbert Dollfuß gelandet. Aber die Nachbarn kann man sich bekanntlich nicht aussuchen, das war ja zu keiner Zeit anders.

Und dann natürlich die biblischen und mythologischen Motive, da ist er dann so richtig zur Hochform aufgelaufen, der Ludwig Weber. So schön wie hier ist die Ariadne noch nicht von ihrem Theseus ausgesetzt worden. Zumindest nicht auf Löss. Und die ganze Schöpfungsgeschichte erst, wo am fünften Tag etwa ein völlig verdutzter Elefant in die Welt tritt und sich mächtig bemüht, nicht über seinen Rüssel zu stolpern.
Und als der Ludwig Weber mit beinahe achtzig Jahren dann nicht mehr war, hat sein Sohn, der Ludwig II. seine Arbeit fortgeführt, weil auch begabt, die Winter immer noch lang und noch freie Plätze im gar nicht kleinen Keller. Da sind dann der Leopold Figl und ein paar andere noch eingezogen, dass es im Lauf der Jahre dann doch recht voll geworden ist. Und als auch der Sohn mit achtzig gestorben ist, hat der Enkel übernommen. Der hat aber nimmer Ludwig geheißen und freie Flächen hat er auch nicht mehr arg viele gehabt. Als Letzter ist dann der Kurt Waldheim in den Keller gekommen, quasi als Krone der Schöpfung, sein Pferd hat allerdings draußen bleiben müssen. Ob er das als Ungerechtigkeit empfunden und der Fred Sinowatz protestiert hat, ist leider nicht überliefert.

Der Weberkeller in Röschitz jedenfalls hat seine Schöpfer überdauert und wer die elf Grad nicht scheut, die’s da unten hat, wird aus dem Staunen nicht rauskommen, was zwei alte Weinbauern so alles zusammengebracht haben.
Weil ein anderer hätt‘ in derselben Zeit höchstens eine gepflegte Leberzirrhose zustande gebracht.
Muss auch mal gesagt werden.

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